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Fürther Bush-Trommeln |
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Breites Spektrum gesellschaftlicher Kräfte demonstriert
Krieg darf nicht sein
Kritik an machtpolitischer Haltung der US-Regierung
FÜRTH - Breit ist das Bündnis, doch der Wind bläst eisig. So fanden sich am Samstag zur über zwei Stunden dauernden Demonstration an den verschiedenen Stationen und dazwischen meist nur zwischen 150 und 250 Teilnehmer. "Fürther Busch-Trommeln rufen zum Protest gegen Krieg im Irak und anderswo" hatte das Offene Antikriegstreffen als Veranstalter das Motto vorgegeben.
Mit Trommeln, Töpfen und Deckeln, Trillerpfeifen und Megafonen verschaffte sich der Zug beim Marsch durch die Innenstadt vom Bahnhofplatz, mit Haltepunkten am Drei-Herren-Brunnen, am Rathaus und am Stadttheater und wieder zum Zentaurenbrunnen zurück, reichlich Gehör.
Die Kinder: Fröhliche Musik kommt aus den Lautsprechern vom rollenden Rednerpult, einem abgetakelten Lkw mit No-War-(Kein Krieg)-Plakaten. Vor dem Zentaurenbrunnen im Halbrund der Zuschauer tanzen und hopsen vier Mädchen und zwei Buben herum. Da dröhnt plötzlich Maschinengewehr- und Granatenlärm aus den Boxen. Die Kinder fallen zu einem leblosen Haufen zusammen. Stille. Zu wieder fröhlichen Klängen rappeln sich die Kids auf. "Wir haben Glück, unsere Kinder können wieder aufstehen", sagt Halide Ünal von der Föderation demokratischer Arbeitervereine aus der Türkei, die die Szenerie arrangiert hat und über den breiten Widerstand in ihrer Heimat
gegen die Kriegsvorbereitungen berichtet.
Der Gewerkschafter: Wozu noch mal demonstrieren, wenn die amerikanische Regierung sich doch vom weltweiten Protest nicht umstimmen lässt, fragt Thomas Händel, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Fürth. Weil die Bevölkerung in Europa und in den USA keinen Krieg will und dieser Wille immer wieder deutlich gemacht werden muss. Ein Krieg wäre nicht nur für die Iraker eine Katastrophe, sondern die immensen Kosten würden die Weltwirtschaft und auch unseren Staatshaushalt massiv belasten. Die Welt dürfe nicht zulassen, dass die Supermacht allein ihre Interessen für den "american way of life" blutig durchboxt.
Der Dekan: Friede sei mit Euch. Eine uralte Formel, die zugleich etwas über die unfriedliche Welt zeigt, erinnert der evangelische Dekan Michael Höchstädter. In diesem Friedensgruß steckt auch ein Anspruch, den es in den Alltag zu tragen gilt und der ein Hoffnungszeichen gegen Kriegstreiber ist, die sich mit Gewalt und gegen das Recht der Völker nehmen wollen, was sie haben wollen. Dem Christen Bush sei gesagt: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.
Die Schüler: Da gibt es die Vereinten Nationen, die Uno-Charta, den Sicherheitsrat, vergleichen Bastian Wipperfürth und Elena Geck vom Schülerbündnis ihr Schulwissen mit der Realpolitik. Das Ansehen dieser Weltgemeinschaft habe schon in den langen Jahren des Kalten Krieges genug gelitten, wo sich UdSSR und USA mit Vetos gegenseitig blockierten. Nun will die USA plötzlich das von ihr selbst oftmals geübte Veto nicht akzeptieren, sondern versucht sogar, Jasager und Neinsager als gut und böse, Feind und Freund zu diffamieren. Die Uno müsse die Interessen aller Völker wahren und nicht allein die der Mächtigen.
Die Autonomen: Die Mächtigen sind derzeit ganz im Lager der kapitalistisch orientierten Staaten angesiedelt. Deren imperialistische Interessen schrecken, so eine Sprecherin der Organisierten Autonomen Nürnberg, nie vor Krieg zurück. Und ein Sprecher vom Palästina-Komitee Nürnberg äußert seine Befürchtung, dass unter dem Schutzschild der USA und im Schatten eines Irak-Krieges Israel noch härter gegen die palästinensische Befreiungsbewegung vorgehen wird, wie schon beim 1. Golfkrieg.
Die Bürger: Sofern sie nicht gezielt zur Kundgebung gekommen waren, blieben sie meist nur kurz stehen, um ein paar Worte aufzuschnappen. Manche nickten Zustimmung. Andere ließen sich kaum von ihrem Einkaufstrip abhalten. Einige zeigten ihre Aversion gegen die, die "gegen alles" sind, und eilten weiter. Nur wenige schlossen sich dem Zug an.
Die Ärzte: Krieg macht krank und schafft keinen Frieden, fasst Elisabeth Wentzlaff von den "Ärzten für Frieden und soziale Verantwortung" die Beobachtungen zusammen, die seit dem Golfkrieg 1991 und dem seitdem währenden Embargo im Irak gemacht wurden. Missgebildete Kinder infolge der Verstrahlung durch mit Uran gehärtete Munition, tausende von Opfern, die durch Unterernährung und mangelnde medizinische Versorgung umkommen. Eine Bevölkerung, von der zwei Drittel in äußerster Armut leben, kann keine Diktatur stürzen. Das mit friedlichen Mitteln zu erreichen, kann nur eine gemeinsame Politik des Dialogs. Hier sind gerade wir Europäer gefordert, entschieden mit einer Stimme aufzutreten.
Die Polizei: War auch dabei. Diesmal mit deutlich mehr Kräften als am 15. Februar. Da sich die Demonstranten brav an die angemeldete Route hielten, brauchten die Ordnungshüter nur für die Sicherheit des Straßenverkehrs zu sorgen, besonders auf dem Abschnitt vom Rathaus zum Stadttheater auf der B 8. Nur ein Demonstrant missfiel dem Auge des Gesetzes. Er hatte mit einer Gespenstermaske gegen das Vermummungsverbot verstoßen. Die Bitte der Veranstalter, das nicht mit einer Anzeige zu ahnden, stieß auf taube Ohren.
Der Friedensmarschierer: Angesichts der totalen Übermacht der US-Armee kann es als Alternative zu einem Krieg mit sinnlosen Opfern nur eines geben, fordert Tommy Rödl, Landessprecher der Deutschen Friedens-gesellschaft: Die irakischen Generäle sollen kapitulieren, die irakischen Soldaten desertieren (davon hatte auch schon Brigitte Döring im Song-Gedicht von Boris Vian vor dem Theater gesprochen). Von einer humanitären Intervention mit den Mitteln des Krieges zu sprechen, sei zynisch. Kein Krieg sei zu rechtfertigen. Das Recht auf Leben gilt für jeden.
MARTIN MÖLLER
Fürther Nachrichten Mo 17.03.03 |
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